Wahlprüfsteine 2022: Hintergrund und Forderungen

LKW Verkehr reduzieren

Der LKW Verkehr hat in vielen Orten in den letzten Jahren zugenommen. Wie lautet Ihr Konzept diesen zu reduzieren und klimafreundlicher zu gestalten?

Hintergrund:

Da immer mehr PKW und LKW auf deutschen Straßen fahren, nimmt die CO2-Belastung des Verkehrs trotz sparsamerer Motoren zu, bei den LKWs zwischen 1995 und 2019 um 21 % (1). Die Zahl der LKWs auf der Neusser Straße in Kapellen soll sich zum Beispiel von 2019 bis 2030 verdreifachen (2). Daher ist es sehr schwer, wirklichen Klimaschutz im Verkehr zu erreichen. Die amtierende Landesregierung in NRW setzt hauptsächlich auf klimaschonende Antriebe und Kraftstoffe (3), was aber angesichts der o.g. Fakten nichts bringt.

Unsere Forderungen:

  • Güter gehören auf die Schiene und auf Wasserstraßen! Die Zahl der LKW-Transporte drastisch reduzieren und die Kapazität der Bahn erhöhen!
  • LKW-Durchgangsverkehr aus Ortsdurchfahrten heraushalten!

Fahrradverkehr

NRW will den Fahrradverkehr von 9% auf 25% steigern. Wie sieht Ihr Beitrag dazu aus, dieses Ziel zu erreichen?

Hintergrund:

Das neue Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW (4) schreibt das o.g. 25%-Ziel fest, bleibt allerdings vage, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (AGFS, Grevenbroich ist Mitglied) plädiert daher „für eine verbindliche Strategie für die konkrete Umsetzung des FaNaG in Land und Stadt“ (5). Unter anderem fordert sie, „eine neue Verkehrsinfrastruktur zu entwerfen, die diese Prozentsteigerung ermöglicht“. Die nachfolgenden Forderungen sind z.T. aus der Stellungnahme der AGFS zum FaNaG (6) abgeleitet.

Unsere Forderungen:

  • Zusammenhängende und durchgängig befahrbare Radverkehrsnetze!
  • Gleichberechtigung gegenüber dem motorisierten Individualverkehr, das heißt auch Flächengerechtigkeit!
  • Verkehrssicherheit ist wichtiger als die Leichtigkeit des (Kfz-)Verkehrs, die nicht mehr oberste Prämisse in der Abwägung sein darf!
  • Innerörtlicher Raumgewinn durch Neuordnung des ruhenden Verkehrs!
  • Vermeidung und Reduktion von Kfz-Verkehr!

Verkehrsmix neu gestalten

Straßen, Schienen, Radwege…. Wo sehen Sie die größten Notwendigkeiten für Neu- und Ausbau?

Hintergrund:

Laut FaNaG (4) sollen zukünftig alle Verkehrsmittel eine gleich bedeutsame Rolle einnehmen. Laut Haushaltsplanentwurf 2022 will die Landesregierung dagegen aber 86 Mio. € in den Neubau, Um- und Ausbau von Landesstraßen investieren, 213,4 Mio. € in deren Erhaltung und nur 30 Mio. € in Bau und Erhaltung von Radwegen (7). Das entspricht einem Verhältnis von 1:10.

Unsere Forderungen:

  • Keine neuen Straßen mehr bauen! Schon deren Erhaltung (Brücken!) ist finanziell ohnehin kaum noch zu stemmen.
  • Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur grundlegend zugunsten von Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV ändern!
  • Die Gesetze zur Verkehrsinfrastruktur und die zugehörigen Bauproramme des Landes entsprechend anpassen!

Mobilität der Zukunft

Wird sich das Verkehrsaufkommen in den Ortschaften durch Homeoffice, e-Bike Boom etc. weiter signifikant reduzieren? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Hintergrund:

Klimaschutz und Mobilität sind mit Abstand die wichtigsten Themen, die künftig für die Städte von Bedeutung sind (8). Dies macht auch eine Befragung des ADAC deutlich: Das Fahrrad nutzen 22 % der Befragten häufiger als vor Corona. Mehr als ein Viertel aller Berufstätigen erwartet, dass ihr eigener Homeoffice-Anteil weiter steigt (9).

Unsere Forderungen:

  • Verkehrswende jetzt: Verkehrspolitik muss gestalten und nicht nur dem Trend der letzten Jahrzehnte folgen!
  • Umweltfreundliche Verkehrsmittel fördern und gleichzeitig Kraftfahrzeugverkehre zurückdrängen!
  • Weiteren Zuwachs von Straßenverkehr unterbinden!

Durchfahrtverbot für LKW in Kapellen/Wevelinghoven

Welche Auffassung vertreten Sie hierzu?

Hintergrund:

Die Fahrtstrecke von der A 46/B 230 bis Rommerskirchen über die A 46 und B 59 ist 30,4 km lang, die Strecke durch Kapellen und Wevelinghoven nur 20,5 km. Die Fahrtzeit ist in beiden Fällen 24 Minuten. Wegen häufiger Staus auf der A 46 und weil viele Lieferverkehre nur die kürzeste Route bezahlt bekommen, dient die Ortsdurchfahrt oft als Abkürzung. Kapellen und Wevelinghoven brauchen daher keine neue Ortsumgehung, sie haben bereits eine im Zuge der A 46/B 59. Die beiden Orte müssen jetzt verkehrsberuhigt werden! Versprechungen, dass die L 361n die ersehnte Ruhe bringen würde, haben sich seit 60 Jahren als leer erwiesen.

Unsere Forderungen:

  • Keine neue L 361n, die noch mehr Verkehr von der A 46 abziehen (10) und in die Nähe der Ortschaften bringen wird!
  • Sofortige Sperrung der Ortsdurchfahrten für LKW!

Neubau L361n

Wie stehen Sie zur L 361n durch die Erftaue und gibt es für Sie Alternativen?

Hintergrund:

Die Planung ist verkehrlich unsinnig und höchst unwirtschaftlich (s. Fragen 5 und 8). Das Maß der Zerstörung von Natur, Ortsbild, Hochwasserschutz und Naherholung ist dagegen immens (s. Fragen 7 und 9). Die Alternative ist die sofortige Sperrung der Ortsdurchfahrt für LKW (s. Frage 5).

Unsere Forderungen:

  • Erhaltung unseres Naherholungsgebiets Erftaue!
  • Schutz der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in der Erftaue!
  • Keine Abriegelung der Orte durch eine bis zu 9 m hohe Sicht-Barriere!

Hochwasserschutz und Flächenversiegelung

Wie bewerten Sie die L 361n hinsichtlich der Flächenversiegelung und der Auswirkungen auf die natürlichen Überschwemmungsgebiete der Auenlandschaft?

Hintergrund:

Das Ahrhochwasser hat erschreckend vor Augen geführt, dass der Klimawandel in Deutschland angekommen ist. Alle Baumaßnahmen in Auenbereichen sind daher grob fahrlässig. Sie engen den Raum ein, in dem sich die zu erwartenden massiven Hochwässer ausbreiten sollen (Retentionsraum), neue Brücken blockieren den Hochwasserabfluss oder fallen selbst dem Hochwasser zum Opfer.

Unsere Forderungen:

  • Keine Versiegelung von Flächen im Überschwemmungsgebiet der Erft!
  • Keine neuen Barrieren in der Erftaue!
  • Die Erft renaturieren und neue Retentionsräume erschließen!

Kosten der L 361n

Die Kosten für den Bau der L 361n sind von 11 Mio. auf 24 22,5 Mio. Euro gestiegen. Halten Sie dies für gerechtfertigt oder würden Sie dieses Geld in andere Projekte investieren?

Hintergrund:

Eine durchschnittliche Ortsumgehung kostet in NRW 7,4 Mio. €, Preise von 2008 (11). Selbst unter Berücksichtigung der Preissteigerung ist die L 361n mit 22,5 Mio. € außergewöhnlich teuer. Bei fragwürdigen Projektzielen (s. Fragen 5 und 6) ist das Projekt höchst unwirtschaftlich und läuft dem drängenden Anspruch auf eine Verkehrswende entgegen (s. Frage 4).

Unsere Forderungen:

  • Die L 361n aus den maßgeblichen Plänen (Bedarfs- und Ausbauplan, Regionalplan, Flächennutzungsplan) ersatzlos streichen!
  • Das Geld stattdessen für Verkehrsberuhigung und Förderung des Radverkehrs nutzen!

Natur- und Klimaschutz

Wie ist eine kilometerlange Umgehungsstraße durch das Naherholungsgebiet Erftaue mit diesen Zielen vereinbar?

Hintergrund:

Ex-Bundeskanzlerin Merkel forderte 2020 eine globale Trendwende zum Schutz der Natur: „Umweltzerstörung und Klimawandel und damit auch der Verlust der biologischen Vielfalt beschleunigen sich in einem Ausmaß, das es in der Menschheitsgeschichte bislang nicht gegeben hat. Das bedroht Lebensqualität, Wirtschaftssysteme und den sozialen Zusammenhalt” (12). Zudem hat der Verkehrssektor bis jetzt keinen Beitrag zur Reduzierung der klimaschädlichen Gase geliefert (13).

Unsere Forderungen:

  • Ruhe und das naturnahe Landschaftsbild der Erftaue als DAS bevorzugte Gebiet zur Feierabenderholung erhalten!
  • Die Natur vor unserer Haustür mit vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten, z.B. Pirol, Eisvogel, Grünspecht und diversen Fledermausarten ungestört erhalten!
  • Keine optische Abriegelung der Erftaue für die Bewohner von Kapellen durch eine gigantische bis zu 9 m hohe Barriere!
  • Verkehrswende jetzt (s. Frage 4) als wichtiger Beitrag zum Klimaschutz!

Zukunftssicherheit

Ist die in den 80er Jahren geplante L 361n mit Blick auf die angestrebte Mobilitätswende aus Ihrer Sicht noch zeitgemäß?

Hintergrund:

Nein. Die neue Bundesregierung will einen neuen Bundesverkehrswege- und
-mobilitätsplan auf den Weg bringen. Dabei soll erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investiert werden (14). Diesen Paradigmenwechsel brauchen wir auch in NRW.

Unsere Forderungen:

  • Eine Strategie und einen Maßnahmenkatalog zur Verkehrswende in NRW entwickeln!
  • Die Verkehrswende steht und fällt mit der Finanzierung: Die laufenden Bauprogramme des Landes zugunsten Bahn, Bus und Rad neu justieren!

Quellen: 

  1. Emissionen des Verkehrs, Umweltbundesamt (Zugriff 24.1.2022)
  2. Verkehrsuntersuchung L 361n – Ortsumgehung Grevenbroich-Kapellen, S. 11 und 21, DTV-Verkehrsconsult GmbH im Auftrag des Rhein-Kreises Neuss, März 2021
  3. Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen, S. 23ff, Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (Zugriff 24.1.2022)
  4. Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW (Landtag NRW)
  5. Das FaNaG NRW (AGFS, Zugriff am 3.2.22)
  6. Stellungnahme zum FaNaG (AGFS, Zugriff am 3.2.22)
  7. Haushaltsplanentwurf 2022 (Finanzministerium NRW, Zugriff am 3.2.22)
  8. OB-Barometer 2021 (Deutsches Institut für Urbanistik, Zugriff am 4.2.22)
  9. Corona und Mobilität (ADAC vom 8.11.21)
  10. Verkehrsgutachten/Bericht Ortsumgehung Grevenbroich-Kapellen Teil 1 (im Auftrag des Rein-Kreises Neuss, März 2021)
  11. Erläuterungen zum Landesstraßenausbauplan 2007 bis 2011 (Verkehrsministerium NRW 12.6.2008, Zugriff am 5.2.22)
  12. Bericht über den UN-Biodiversitätsgipfel (ARD 1.10.2020, Zugriff 5.2.22)
  13. Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2020 (Umweltbundesamt 15.1.2022, Zugriff am 5.2.22)
  14. Koalitionsvertrag Bund 2021 (Bundesregierung, Zugriff am 5.2.22)